Innere Antreiber: Ich sollte…

Eine Übung zu den Antreibern der Transaktionsanalyse.

Auf dem Kölner Scrumtisch am 18.07.2018 habe ich in einer Session eine Übung aus der Transaktionsanalyse durchgeführt. Die Übung habe ich selbst auf dem Agile Coach Camp 2018 unter dem Namen „Ich sollte…“ kennengelernt. Sie besteht aus zwei Teilen und verläuft wie folgt:

Die Teilnehmer finden sich in Zweiergruppen zusammen, und bekommen einen Augenblick in Ruhe, um sich ihrer Verpflichtungen gewahr werden, die sie spüren, mit sich herum tragen, auf dem sprichwörtlichen Zettel haben, oder die Ihnen gerade einfach durch den Kopf kreisen.

Anschließend beginnt einer der Teilnehmer seine Verpflichtungen zu formulieren, in der Form „Ich sollte… „, und der andere Teilnehmer antwortet immer und ausschließlich mit einem freundlichen aber klaren „Nein!“. Nach etwa 2 Minuten werden die Rollen getauscht, damit jeder die Gelegenheit hat, seine Verpflichtungen zu äußern und ein „Nein“ zu erhalten.

Einige Beispiele:

  • „Ich sollte ordentlicher schreiben.“ – „Nein.“
  • „Ich sollte nicht mehr zu spät zu Meetings kommen“ – „Nein.“
  • „Ich sollte den Müll öfter rausbringen, damit mein Partner zufrieden ist.“ – „Nein.“

Anschließend folgt ein kurzer Austausch in der gesamten Runde über das gerade Erlebte. In meiner Session auf dem Scrumtisch beschrieben die Teilnehmer beispielsweise das komische Gefühl, dass sich mit dem konsequenten „Nein“ als Antwort auf jede geäußerte Verpflichtung innerlich mit einem „Doch!“ oder „Aber…!?“ eine Mischung aus Widerstand und Verzweiflung breitmacht.

In dem Austausch wurde klar, dass zumindest einige Teilnehmer begonnen haben, manche ihrer Glaubenssätze zu hinterfragen, und über ihre Verhaltensmuster zu reflektieren, was ein Ziel der Übung ist. Als Ergänzung dazu hilft die Erläuterung der fünf typischen Antreiber der Transaktionsanalyse.

Antreiber der Transaktionsanalyse nach Taibi Kahler.

Auch wenn die Transaktionsanalyse von Eric Berne begründet wurde, stammen die inneren Antreiber von Taibi Kahler. Diese Erkenntnisse wiederum fanden ihren Weg in das Process Communication Model zur Persönlichkeitsanalyse. Eine schöne Erläuterung der Antreiber und ihrer Wirkung findet sich beim Verband freier Psychotherapeuten.

Im zweiten Teil der Übung kehren die Teilnehmer wieder in Zweiergruppen zurück. Wahlweise können dazu neue Konstellationen gebildet werden. Erneut erhalten sie einen Moment der Ruhe, um diesmal über all ihre Erwartungen nachzudenken, die sie an die Welt da draußen haben, Erwartungen, die sie an andere Personen wie Kollegen, Familie, Partner hegen.

Nun beginnt wie in der ersten Runde einer der Teilnehmer seine Erwartungen zu formulieren nach dem Schema: „[Die Welt/Jemand/Mein Kollege/Mein Partner/etc] sollte… „. Der andere antwortet auf jede Äußerung wieder mit dem freundlichen, aber klaren „Nein!“ aus der ersten Runde. Nach etwa 2 Minuten wird getauscht.

Einige Beispiele:

  • „Meine Kollegen sollten sich mehr mit mir abstimmen.“ – „Nein.“
  • „Die Gruppe im Raum nebenan sollte leiser sein.“ – „Nein.“
  • „Mein Partner sollte mir mehr Aufmerksamkeit geben.“ – „Nein.“

In der anschließenden Diskussion äußerten die Teilnehmer noch mehr Irritation als im ersten Teil, weil sie mit der Ablehnung einiger ihrer Erwartungen mitunter an die Grenzen des Ertragbaren geraten waren. Auf die Aussage ‚Die Menschheit sollte den Planeten retten‘ ein klares ‚Nein‘ zu erhalten, wirkte in dem Zusammenhang wie ein kolossales Aufgeben in einer Angelegenheit von epischer Bedeutung.

Erkenntnisse aus der Übung „Ich sollte…“/“[Jemand] sollte…“

Natürlich soll die Übung nicht dazu dienen, alles über Bord zu werfen und globale Hoffnungslosigkeit auszulösen. Während die erste Übung dabei hilft, sich ein Stück von unseren gefühlten Verpflichtungen zu befreien, die uns eher einschränken, als helfen, liegt das Ziel in Teil 2 darin, unsere übermäßig aufgebauten Erwartungen an andere zu realisieren und zu relativieren. Denn mit unserer Erwartung an andere bürden wir ihnen eine Verpflichtung auf. Tritt dann die Erwartung nicht ein, macht sich in uns Enttäuschung breit, und wir sind leicht geneigt, diese an die andere Person zu hängen.

Die beiden Übungen sollen die wichtige Erkenntnis unterstreichen, dass wir unser Glück weder finden, wenn wir allen gefühlten Verpflichtungen nachgeben, noch indem wir Erwartungen an die Welt haben. Weder unser Pflichtgefühl noch unsere Erwartungen ändern irgendetwas daran, was geschieht. Die Dinge passieren, und wir haben die Wahl, wie wir damit umgehen wollen.