Ein Erlebnisbericht.
Am vergangenen Wochenende fand wieder einmal das deutsche Agile Coach Camp (#accde) statt. Neben der Tatsache, dass man dort viele interessante Menschen kennenlernen und sich mit ihnen über diverse spannende Themen austauschen kann, ist es auch immer ein guter Ort, um neue Dinge auszuprobieren oder etwas zu wagen.
Für dieses Jahr hatte ich mir vorgenommen, das Wagnis einzugehen, die Open Space Facilitation für den ersten Tag zu übernehmen. Mit der Erfahrung aus vielen moderierten Open Spaces bei Agile Cologne, Scrumtisch oder anderen Gelegenheiten, bestand das Wagnis weniger in der Moderation an sich, als in dem Ziel, in der Moderation Ruhe und Ernsthaftigkeit zu vermitteln, und damit einen Gegenpol zu der Ausgelassenheit und den Verrücktheiten zu setzen, die auf dem Coach Camp sonst so präsent sind.
Raumaufteilung & Moderation
Als Partner für diese Facilitation habe ich mir David Schmithüsen ausgesucht. Somit sind natürlich viele Elemente eingeflossen, die sich bei der Agile Cologne vielfach bewährt haben. Unter anderem war uns wichtig, einen vollständigen Stuhlkreis mit den klassischen vier Zugängen einzurichten, und das Board außerhalb davon anzubringen. Damit erreichen wir typischerweise eine Fokussierung auf die inhaltliche Vorstellung der Themen in der Mitte des Kreises und vermeiden so den „vorgezogenen Marketplace“, also die sonst zu beobachtenden Zwischenrufe, die auftauchen, wenn der Session Host sich am Board Ort und Zeit aussucht. Durch die Aufteilung des Raumes haben wir diese Diskussion dorthin verlagert, wo sie hingehört, nämlich in den Marketplace.
Die eigentliche Moderation der Open Space Mechanismen haben wir dann in ruhiger Stimmlage, mit vielen Pausen und viel Ernsthaftigkeit durchgeführt. Dabei haben wir uns jeweils nach abgeschlossenen Punkten abgewechselt, um die Konzentration der Teilnehmer möglichst lange aufrecht zu halten. Dabei haben wir uns langsam im inneren des Kreises bewegt, und nach und nach während der Erklärung deutlich auf die außen herum angebrachten Prinzipien und Erkenntnisse des Open Space zu weisen.
Session Vorstellung
Zum Notieren der Sessions durch die Teilnehmer haben wir wie auch schon häufiger bei der Agile Cologne ausreichend gleichfarbige Big Post-Its und Stifte symmetrisch in der Mitte um eine kleine Blume herum angeordnet. Damit entsteht ein Zentrum der Energie in der Mitte des Kreises und es fällt den Teilnehmern meist leicht, kurz dorthin zu gehen, ihre Sessions aufzuschreiben, den Zettel an sich zu nehmen und das restliche Material anschließend dort für den nächsten zurückzulassen.
Wir haben jedoch auch neues ausprobiert. Zum Vorstellen der Sessions stellen sich Teilnehmer typischerweise in einer oder mehrerer Reihen in den vier Zugängen in den Kreis auf. Das geschieht unabhängig davon, ob in der Moderation dazu aufgefordert wird oder nicht. Nach meiner Beobachtung geht dadurch viel Energie aus dem Raum verloren, weil ein Großteil der Teilnehmer steht, während der andere Teil sitzt.
Verstärkt wird der Effekt dadurch, dass viele Teilnehmer sich nach dem Vorstellen ihrer Session nicht wieder hinsetzen, sondern das weitere Geschehen stehend aus dem Hintergrund verfolgen. Dadurch verlagert sich die Energie aus dem Kreis heraus nach außen, deutlich sichtbar an vielen leeren Stühlen im Innern, und einem Ring von stehenden Personen außen herum. Die sitzenden Teilnehmer können zunehmend schlechter sehen, weil die Schlangen in den Zugängen länger werden und dadurch überall verteilt im Raum Menschen stehen. Im Ergebnis reduziert sich der Fokus, es beginnen Hintergrundgespräche und die Konzentration aller lässt nach.
Dem sind wir begegnet, indem wir explizit darum gebeten haben, sich nicht in Reihen aufzustellen, sondern darauf zu achten, dass an jedem Zugang jeweils nur ein Session-Initiator wartet, und sich nur dort hinstellen, wenn der Platz frei ist. Dadurch gab es über die gesamte Zeit der Session-Vorstellung einen starken Fokus auf die jeweilige Person im Zentrum und weniger Ablenkung.
Marketplace
Durch die starke Fokussierung auf die Vorstellung der Sessions war die Anordnung der Themen auf dem Sessionplan zunächst eher Nebensache – mit Absicht! Außer den Session Initiatoren sollte sich niemand mit der Frage beschäftigen, wann denn nun welche Session wo stattfindet.
Daher kam dem Marketplace eine höhere Bedeutung zu als sonst, schließlich sollten die Teilnehmer wie üblich die Möglichkeit haben, auf den Sessionplan Einfluss zu nehmen. Mit einem kurzen Aufruf zur Selbst-Organisation waren die Sitzplätze vor dem Board innerhalb weniger Sekunden entfernt und der Zugang zum Board entsprechend für alle Teilnehmer frei.
Der Marketplace selbst dauerte nur wenige Minuten und zeigte damit, dass die Teilnehmer auch dann gemeinsam ein ausgewogen arrangiertes Board herstellen können, wenn sie sich erst am Ende damit beschäftigen.
Closing
Am Ende des Tages war wichtig, den Open Space auch wieder zu schließen. Dazu wollten wir bewusst das Teilen von Eindrücken von sonstigen organisatorischen Ankündigungen für den Abend zeitlichen trennen, um auch hier wieder den Fokus zu stärken.
Feedback
Das Feedback zu unserer Form der Moderation und besonders zu den Veränderungen, die wir gegenüber vorigen Jahren eingebracht haben waren durchweg positiv. Die ruhige und ernsthaftere Art der Moderation hat offensichtlich einige wachgerüttelt und auch manch „altem Hasen“ nochmal die Möglichkeit gegeben, dem Open Space wieder mit mehr Energie und Respekt zu begegnen. Es ist einfach ein tolles Format.
„Toll, wie viel Ruhe und Bewusstheit ihr dem Open Space geschenkt habt. Danke!“
Fazit
Meiner Erfahrung nach gibt es beim Open Space eine „atmosphärische Wirkungskette“, die bei der Auswahl der Location beginnt und am Ende großen Einfluss auf die Energie der Teilnehmer in den Sessions hat.
Mit gezielten kleinen, aber sichtbaren Veränderungen haben wir versucht, dieser Wirkungskette Rechnung zu tragen und dem Vernehmen nach mit Erfolg. Darüber freue ich mich sehr, und hoffe künftig noch oft die Gelegenheit zu haben, Open Spaces zu facilitieren und die Switches ebenfalls einzubauen.